Ver­fah­rens­in­for­ma­ti­on

Die 1952 als nicht­ehe­li­ches Kind ei­ner deut­schen und ei­nes ame­ri­ka­ni­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen ge­bo­re­ne Klä­ge­rin, de­ren El­tern 1955 ge­hei­ra­tet ha­ben, be­sitzt die ame­ri­ka­ni­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit und be­gehrt, nach­dem sie sich von 1957 bis 1979 in Ame­ri­ka auf­ge­hal­ten hat­te und seit­her wie­der in Deutsch­land lebt, die Aus­stel­lung ei­nes deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keits­aus­wei­ses. Die Vor­in­stan­zen ha­ben die Kla­ge mit der Be­grün­dung ab­ge­wie­sen, dass die Klä­ge­rin die zu­nächst mit ih­rer Ge­burt als nicht­ehe­li­che Toch­ter ei­ner Deut­schen er­wor­be­ne deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit ge­mäß § 17 Nr. 5 RuS­tAG a.F. auf­grund wirk­sa­mer Le­gi­ti­ma­ti­on durch ih­ren ame­ri­ka­ni­schen Va­ter in­fol­ge der Ehe­schlie­ßung ih­rer El­tern ver­lo­ren ha­be; so­weit § 17 Nr. 5 RuS­tAG a.F. ver­fas­sungs­wid­rig ge­we­sen sei, ha­be der Ge­setz­ge­ber durch Art. 3 RuStA­ÄndG 1974 für ei­nen Zeit­raum von 3 Jah­ren die Mög­lich­keit er­öff­net, durch ent­spre­chen­de Er­klä­rung die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit wie­der zu er­lan­gen (Op­ti­ons­re­ge­lung), wo­von die Klä­ge­rin kei­nen Ge­brauch ge­macht ha­be. Mit der Re­vi­si­on tritt die Klä­ge­rin die­ser Rechts­auf­fas­sung ent­ge­gen.


Be­schluss vom 06.07.2006 -
BVer­wG 5 C 5.05ECLI:DE:BVer­wG:2006:060706B5C5.05.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 5 C 5.05

  • Hes­si­scher VGH - 17.08.2004 - AZ: VGH 12 UE 339/04

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 5. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 6. Ju­li 2006
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Sä­cker
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Schmidt und Prof. Dr. Ber­lit
be­schlos­sen:

  1. Zur güt­li­chen Be­en­di­gung die­ses Rechts­streits wird den Be­tei­lig­ten fol­gen­der Ver­gleich vor­ge­schla­gen:
  2. Der Be­klag­te ver­pflich­tet sich, der Klä­ge­rin ei­nen deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keits­aus­weis zu er­tei­len. Die Kos­ten des Ver­fah­rens wer­den ge­gen­ein­an­der auf­ge­ho­ben.

Grün­de

1 In ei­nem in Be­zug auf die Gel­tung des § 17 Nr. 5 RuS­tAG 1913 in der Zeit vom 1. April 1953 bis zum 31. De­zem­ber 1974 par­al­le­len Rechts­streit hat der Se­nat beim Bun­des­ge­richts­hof an­ge­fragt, ob er an sei­ner im Be­schluss vom 8. Ju­ni 1983 - IVb ZB 637/80 - NJW 1984, 562 ver­tre­te­nen Auf­fas­sung fest­hält. Die An­fra­ge in je­nem Ver­fah­ren ist wie folgt be­grün­det:

2 Der Klä­ger im vor­lie­gen­den Re­vi­si­ons­ver­fah­ren be­gehrt die Aus­stel­lung ei­nes deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keits­aus­wei­ses. Da­für ist streit­ent­schei­dend, ob er die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit durch Ge­burt von sei­ner Mut­ter er­wor­ben hat.

3 Nach den un­strei­ti­gen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts hat die Mut­ter des Klä­gers mit ih­rer Ge­burt im März 1964 als un­ehe­li­ches Kind die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit nach ih­rer Mut­ter, der Gro­ßmut­ter des Klä­gers müt­ter­li­cher­seits, er­wor­ben (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 RuS­tAG i.d.F. des Ge­set­zes vom 19. De­zem­ber 1963 <BGBl I S. 982>). Un­strei­tig ist wei­ter, dass die Mut­ter des Klä­gers durch die Hei­rat ih­rer El­tern im April 1964 nach ka­sa­chi­schem Recht die Stel­lung ei­nes ehe­li­chen Kin­des er­wor­ben hat und die so von ih­rem Va­ter rus­si­scher Staats­an­ge­hö­rig­keit be­wirk­te Le­gi­ti­ma­ti­on nach den deut­schen Ge­set­zen wirk­sam war.

4 Strei­tig ist, ob die Mut­ter des Klä­gers ih­re deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit durch die­se Le­gi­ti­ma­ti­on nach § 17 Nr. 5 RuS­tAG 1913 ver­lo­ren hat mit der Fol­ge, dass der Klä­ger die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit nicht durch Ge­burt nach sei­ner Mut­ter er­wer­ben konn­te.

5 § 17 Nr. 5 RuS­tAG in sei­ner bis zu sei­ner Auf­he­bung durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. b RuStA­ÄndG 1974 nicht ge­än­der­ten Fas­sung von 1913 be­stimm­te, dass ein un­ehe­li­ches Kind die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit durch ei­ne von ei­nem Aus­län­der be­wirk­te und nach den deut­schen Ge­set­zen wirk­sa­me Le­gi­ti­ma­ti­on ver­lor.

6 Ob § 17 Nr. 5 RuS­tAG 1913 im Jahr der Le­gi­ti­ma­ti­on 1964 noch Gel­tung hat­te, hängt, da er förm­lich durch (ein­fa­ches) Ge­setz (Art. 1 Nr. 3 Buchst. b, Art. 6 RuStA­ÄndG 1974) erst zum 1. Ja­nu­ar 1975 auf­ge­ho­ben wor­den ist, da­von ab, ob er dem Grund­ge­setz wi­der­spricht. Denn nach Art. 123 Abs. 1 GG gilt Recht aus der Zeit vor dem Zu­sam­men­tritt des Bun­des­ta­ges - da­zu ge­hört § 17 Nr. 5 RuS­tAG 1913 - (nur) fort, so­weit es dem Grund­ge­setz nicht wi­der­spricht.

7 Da die Mut­ter des Klä­gers durch die Le­gi­ti­ma­ti­on nicht staa­ten­los wur­de, son­dern nach ih­rem Va­ter die so­wje­ti­sche bzw. rus­si­sche Staats­bür­ger­schaft er­warb, stellt sich die Fra­ge, ob § 17 Nr. 5 RuS­tAG 1913, so­weit ein Kind durch die­se Re­ge­lung ge­gen sei­nen Wil­len staa­ten­los wur­de, dem Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG wi­der­sprach und des­halb nicht nach Art. 123 Abs. 1 GG fort­galt,
im Streit­fall nicht, je­den­falls nicht di­rekt (das Ge­setz zur Än­de­rung des Reichs- und Staats­an­ge­hö­rig­keits­ge­set­zes vom 19. De­zem­ber 1963 <BGBl I S. 982> er­gänz­te zwar § 4 Abs. 1 RuS­tAG 1913, be­stimm­te aber kei­ne Än­de­rung zu § 17 RuS­tAG 1913).

8 § 17 Nr. 5 RuS­tAG 1913 wi­der­sprach im Sin­ne von Art. 123 Abs. 1 GG dem Art. 3 Abs. 2 GG, der Gleich­be­rech­ti­gung von Frau­en und Män­nern, er stand ihm im Sin­ne von Art. 117 Abs. 1 GG ent­ge­gen und galt folg­lich nicht über den 31. März 1953 hin­aus fort. § 17 Nr. 5 RuS­tAG ist nach Art. 117 Abs. 1 GG längs­tens bis zum 31. März 1953 in Kraft ge­blie­ben, hat­te al­so zur Zeit der Le­gi­ti­ma­ti­on der Mut­ter des Klä­gers im Jah­re 1964 kei­ne Gel­tungs­kraft mehr.

9 Das Reichs- und Staats­an­ge­hö­rig­keits­ge­setz vom 22. Ju­li 1913 (RGBl S. 583) in sei­ner am 24. Mai 1949 be­stehen­den und bis zum 31. März 1953 nicht ge­än­der­ten Fas­sung knüpf­te für den Er­werb der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit durch Ge­burt an die Ab­stam­mung an, wo­bei es bei ehe­li­chen Kin­dern al­lein auf die Ab­stam­mung von ei­nem deut­schen Va­ter ab­stell­te, die Ab­stam­mung von ei­ner deut­schen Mut­ter hin­ge­gen nicht aus­rei­chen ließ (§ 4 Abs. 1 Halbs. 1 RuS­tAG 1913). Die­se Re­ge­lung war mit dem Grund­satz der Gleich­be­rech­ti­gung von Män­nern und Frau­en nicht ver­ein­bar. Zur Be­grün­dung wird auf den Vor­la­ge­be­schluss des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vom 24. Ju­ni 1971 - BVer­wG 1 C 75.67 - (Buch­holz 130 § 4 RuS­tAG Nr. 3 = DÖV 1972, 94 = DVBl 1971, 861 = FamRZ 1971, 577 = StAZ 1972, 172) so­wie auf den Be­schluss des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 21. Mai 1974 - 1 BvL 22/71 und 21/72 - (BVerf­GE 37, 217) ver­wie­sen. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat in sei­nem Vor­la­ge­be­schluss aus­ge­führt, § 4 Abs. 1 Satz 1 RuS­tAG i.d.F. des Ge­set­zes vom 19. De­zem­ber 1963 (BGBl I S. 982) sei in­so­weit mit Art. 3 Abs. 2 GG nicht ver­ein­bar, als das ehe­li­che Kind ei­nes deut­schen Man­nes, nicht aber auch das ehe­li­che Kind ei­ner deut­schen Frau durch Ge­burt die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit er­wirbt; zur Vor­la­ge sei es ver­pflich­tet, weil der nach­kon­sti­tu­tio­nel­le Ge­setz­ge­ber die un­ver­än­dert ge­blie­be­ne Re­ge­lung des § 4 Abs. 1 Satz 1 RuS­tAG mit der An­fü­gung des Sat­zes 2 durch Ge­setz vom 19. De­zem­ber 1963 in sei­nen Wil­len auf­ge­nom­men ha­be. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (a.a.O. S. 239) hat ent­schie­den, die Re­ge­lung der Staats­an­ge­hö­rig­keit ehe­li­cher Kin­der mit nur ei­nem deut­schen El­tern­teil in § 4 Abs. 1 RuS­tAG sei mit dem Grund­ge­setz nicht ver­ein­bar, weil sie Kin­dern deut­scher Müt­ter den Er­werb der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit nicht in glei­chem Ma­ße er­mög­li­che wie Kin­dern deut­scher Vä­ter.

10 § 4 Abs. 1 RuS­tAG 1913 muss im sach­li­chen Zu­sam­men­hang mit § 17 Nr. 5 RuS­tAG 1913 ge­se­hen wer­den. Denn bei­de Vor­schrif­ten be­stim­men die Staats­an­ge­hö­rig­keit ehe­li­cher Kin­der ma­ß­geb­lich nach der des Va­ters, nicht - den Son­der­fall der Staa­ten­lo­sig­keit des Va­ters aus­ge­nom­men (da­zu BVer­w­GE 15, 226 und § 4 Abs. 1 Satz 2 RuS­tAG F. 1963) - der der Mut­ter. Da­mit ver­stö­ßt - wie es das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in BVerf­GE 37, 217 zu § 4 Abs. 1 RuS­tAG ent­schie­den hat - auch § 17 Nr. 5 RuS­tAG 1913 ge­gen Art. 3 Abs. 2 GG (OVG Ko­blenz, Be­schluss vom 23. April 1993 - 7 B 12396/92.​OVG - In­fAuslR 1993, 276; VG Stutt­gart, Ur­teil vom 5. März 1997 - 7 K 4077/95 - StAZ 1997, 346; Hail­bron­ner/Ren­ner, Staats­an­ge­hö­rig­keits­recht, 4. Aufl. 2005, § 17 StAG Rn. 6; Ma­ka­rov/v. Man­goldt, Deut­sches Staats­an­ge­hö­rig­keits­recht, Stand 1985, § 17 RuS­tAG Rn. 10 und Art. 3 RuStA­ÄndG 1974 Rn. 15 - 21; Marx, Staats­an­ge­hö­rig­keits­recht, 1997, § 17 RuS­tAG Rn. 21; Marx, in: GK-StAR GW 2000, § 17 StAG Rn. 51; a.A. VG Augs­burg, Ur­teil vom 9. Ok­to­ber 2001 - Au 1 K 99.10 87 - ju­ris). Die­se Be­wer­tung stützt, dass mit Be­schluss vom 25. Ok­to­ber 2005 - 2 BvR 524/01 - ju­ris das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ent­schie­den hat, dass es mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht ver­ein­bar sei, die er­leich­ter­te Er­tei­lung ei­ner Auf­ent­halts­er­laub­nis für ein im Bun­des­ge­biet ge­bo­re­nes Kind al­lein an den Auf­ent­halts­ti­tel der Mut­ter, nicht hin­ge­gen auch des Va­ters zu knüp­fen.

11 An­ders als das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in BVer­w­GE 15, 226 hielt es das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in BVerf­GE 37, 217 für nicht zu­läs­sig, ei­ne als ver­fas­sungs­wid­rig er­kann­te Norm selbst zu ei­ner ver­fas­sungs­ge­mä­ßen zu er­gän­zen. In BVerf­GE 37, 217 war über die Fra­ge zu ent­schei­den, ob der Er­werb der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit von ehe­li­chen Kin­dern nach § 4 Abs. 1 RuS­tAG al­lein nach dem Va­ter ver­fas­sungs­ge­mäß ist. Die Fest­stel­lung der Un­ver­ein­bar­keit die­ser Re­ge­lung mit der Ver­fas­sung führ­te aber, wie das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt aus­ge­führt hat, zum ei­nen nicht da­zu, dass das ehe­li­che Kind oh­ne Gel­tung des § 4 Abs. 1 RuS­tAG die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit nach der Mut­ter er­wor­ben hät­te, noch not­wen­dig zu ei­ner Norm­ergän­zung des als ver­fas­sungs­wid­rig er­kann­ten § 4 Abs. 1 RuS­tAG da­hin, dass das ehe­li­che Kind mit der Ge­burt (auch) die Staats­an­ge­hö­rig­keit nach der Mut­ter er­wer­be. Des­halb war es ge­recht­fer­tigt, die Un­ver­ein­bar­keit der be­stehen­den Re­ge­lung fest­zu­stel­len und dem Ge­setz­ge­ber die Aus­ge­stal­tung ei­ner neu­en ver­fas­sungs­ge­mä­ßen Re­ge­lung des Staats­an­ge­hö­rig­keits­er­werbs zu über­las­sen.

12 An­ders liegt es bei § 17 Nr. 5 RuS­tAG. Denn wäh­rend ein ehe­li­ches Kind we­der bei Gül­tig­keit noch bei Un­gül­tig­keit des § 4 Abs. 1 RuS­tAG 1913 bzw. § 4 Abs. 1 Satz 1 RuS­tAG F. 1963 - ein Fall sons­ti­ger Staa­ten­lo­sig­keit nach § 4 Abs. 1 Satz 2 RuS­tAG F. 1963 ist nicht ge­ge­ben - die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit nach sei­ner Mut­ter hat er­wer­ben kön­nen, hat ein un­ehe­li­ches Kind sei­ne nach der deut­schen Mut­ter er­wor­be­ne deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit nach § 17 Nr. 5 RuS­tAG durch Le­gi­ti­ma­ti­on nur dann ver­lie­ren kön­nen, wenn § 17 Nr. 5 RuS­tAG 1913 zur Zeit der Le­gi­ti­ma­ti­on (noch) wirk­sam war. § 17 Nr. 5 RuS­tAG 1913 ist aber als Art. 3 Abs. 2 GG ent­ge­gen­ste­hen­des Recht nach Art. 117 Abs. 1 GG mit Ab­lauf des 31. März 1953 au­ßer Kraft ge­tre­ten. § 4 Abs. 1 RuS­tAG 1913 bzw. § 4 Abs. 1 Satz 1 RuS­tAG F. 1963 sind zwar, da bei­de die Ab­hän­gig­keit der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit ehe­li­cher Kin­der al­lein vom Va­ter re­geln, aus glei­chem Grund, näm­lich we­gen Ver­sto­ßes ge­gen Art. 3 Abs. 2 GG, ver­fas­sungs­wid­rig, die Aus­wir­kun­gen der Ver­fas­sungs­wid­rig­keit auf zu­rück­lie­gen­de Fäl­le sind aber un­ter­schied­lich. Denn § 4 Abs. 1 RuS­tAG 1913 bzw. § 4 Abs. 1 Satz 1 RuS­tAG F. 1963 re­gel­te ei­nen Staats­an­ge­hö­rig­keits­er­werbs­grund, § 17 Nr. 5 RuS­tAG 1913 da­ge­gen ei­nen Staats­an­ge­hö­rig­keits­ver­lust­grund. So wie ein Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG wi­der­spre­chen­der Ver­lust der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit nach § 17 Nr. 5 RuS­tAG nach In­kraft­tre­ten des Grund­ge­set­zes nicht mehr ein­tre­ten konn­te (so zu Recht BGH, Be­schluss vom 8. Ju­ni 1983 - IVb ZB 637/80 - un­ter III. 2. b aa, NJW 1984, 562 <564>), so konn­te auch ein Art. 3 Abs. 2 GG wi­der­spre­chen­der Ver­lust der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit nach § 17 Nr. 5 RuS­tAG nach dem Ab­lauf des 31. März 1953 (Art. 117 Abs. 1 GG) nicht mehr ein­tre­ten (VG Stutt­gart, Ur­teil vom 5. März 1997 - 7 K 4077/95 - StAZ 1997, 346; Hail­bron­ner/Ren­ner, Staats­an­ge­hö­rig­keits­recht, 4. Aufl. 2005, § 17 StAG Rn. 6; Ma­ka­rov/v.​Mangoldt, Deut­sches Staats­an­ge­hö­rig­keits­recht, Stand 1985, § 17 RuS­tAG Rn. 10 und Art. 3 RuStA­ÄndG 1974 Rn. 15 - 21).

13 Dem­ge­gen­über ging der Bun­des­ge­richts­hof in sei­nem Be­schluss vom 8. Ju­ni 1983 (a.a.O.) un­ter III. 2 b bb (eben­so OVG Ber­lin, Ur­teil vom 13. Sep­tem­ber 1979 - V B 3.78 - ju­ris; OVG Ham­burg, Ur­teil vom 24. Fe­bru­ar 1997 - Bf III 53/95 - ju­ris; VG Karls­ru­he, Ur­teil vom 10. Sep­tem­ber 2003 - 11 K 3824/02 - ju­ris) - ent­ge­gen sei­ner ei­ge­nen Rechts­auf­fas­sung, dass der ge­gen Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ver­sto­ßen­de Staats­an­ge­hö­rig­keits­ver­lust­grund mit dem In­kraft­tre­ten des Grund­ge­set­zes un­mit­tel­bar ent­fal­len sei (BGH a.a.O. un­ter III. 2. b aa) - da­von aus, dass der (von ihm le­dig­lich un­ter­stellt) ge­gen Art. 3 Abs. 2 GG ver­sto­ßen­de § 17 Nr. 5 RuS­tAG nicht un­mit­tel­bar nach Art. 117 Abs. 1 GG mit Ab­lauf des 31. März 1953 au­ßer Kraft ge­tre­ten sei, son­dern dass zur Her­stel­lung ei­nes ver­fas­sungs­ge­mä­ßen Zu­stan­des ei­ne Über­lei­tungs­re­ge­lung aus­rei­che, die nicht dar­an an­set­ze, dass der Ver­lust der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit, da ver­fas­sungs­wid­rig, mit der Le­gi­ti­ma­ti­on gar nicht ein­ge­tre­ten sei, son­dern le­dig­lich ei­ne Op­ti­on auf Neu­erwerb der Staats­an­ge­hö­rig­keit ein­räu­me. Dies knüpft an Ar­gu­men­te des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zur
Über­gangs­re­ge­lung nach dem für ver­fas­sungs­wid­rig er­kann­ten § 4 Abs. 1 Satz 1 RuS­tAG F. 1963 an. Die­se sind aber nach der Rechts­auf­fas­sung des an­fra­gen­den Se­nats auf den als ver­fas­sungs­wid­rig er­kann­ten § 17 Nr. 5 RuS­tAG als Staats­an­ge­hö­rig­keits­ver­lust­grund nicht über­trag­bar. Denn wenn ein Ver­lust der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit we­gen ei­ner ver­fas­sungs­wid­ri­gen und nach Art. 117 Abs. 1 GG mit Ab­lauf des 31. März 1953 au­ßer Kraft ge­tre­te­nen Ver­lust­re­ge­lung nicht ein­ge­tre­ten ist, be­steht die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit auch oh­ne ei­ne Über­gangs­re­ge­lung fort.

14 § 17 Nr. 5 RuS­tAG 1913 war zur Zeit der Le­gi­ti­ma­ti­on im Jah­re 1964 kein nach­kon­sti­tu­tio­nel­les Recht. Art. 117 Abs. 1 GG hat nur an­ge­ord­net, dass das dem Art. 3 Abs. 2 GG ent­ge­gen­ste­hen­de Recht längs­tens bis zum 31. März 1953 in Kraft bleibt. Er hat da­mit aber nicht das dem Art. 3 Abs. 2 GG ent­ge­gen­ste­hen­de Recht für die Zeit bis zum Au­ßer­kraft­tre­ten spä­tes­tens zum 31. März 1953 für als der Ver­fas­sung ent­spre­chend er­klä­ren wol­len; viel­mehr soll­te dem Ge­setz­ge­ber nur ei­ne Frist ein­ge­räumt wer­den, das dem Art. 3 Abs. 2 GG wi­der­spre­chen­de Recht durch ver­fas­sungs­ge­mä­ßes Recht zu er­set­zen. Mit Ab­lauf der Frist am 31. März 1953 ist das dem Art. 3 Abs. 2 GG wi­der­spre­chen­de Recht au­ßer Kraft ge­tre­ten (BGH, Ur­teil vom 14. Ju­li 1953 - V ZR 97/52 - BGHZ 10, 266). Nach dem 31. März 1953 konn­te dem­nach ei­ne Le­gi­ti­ma­ti­on kei­nen Ver­lust der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit nach § 17 Nr. 5 StAG 1913 be­wir­ken.

15 § 17 Nr. 5 RuS­tAG ist auch spä­ter nicht rück­wir­kend nach­kon­sti­tu­tio­nel­les Recht ge­wor­den.

16 Als Re­ak­ti­on auf BVer­w­GE 15, 226 hat der Ge­setz­ge­ber § 4 Abs. 1 RuS­tAG durch An­fü­gen des Sat­zes 2 durch Ge­setz vom 19. De­zem­ber 1963 (RuStA­ÄndG 1963) ge­än­dert und da­mit, al­ler­dings nicht rück­wir­kend, zu nach­kon­sti­tu­tio­nel­lem Recht ge­macht. Trotz des en­gen Zu­sam­men­hangs zwi­schen der Re­ge­lung der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit für ehe­li­che Kin­der in § 4 Abs. 1 und § 17 Nr. 5 RuS­tAG hat der Ge­setz­ge­ber mit dem Än­de­rungs­ge­setz 1963 § 17 Nr. 5 RuS­tAG nicht ge­än­dert und folg­lich auch nicht als nach­kon­sti­tu­tio­nel­les Recht in sei­nen Wil­len auf­ge­nom­men. Den Aus­füh­run­gen des Bun­des­ge­richts­ho­fes in sei­nem Be­schluss vom 8. Ju­ni 1983 - IVb ZB 637/80 - un­ter III. 2 b aa (NJW 1984, 562 <564>), es sei „mög­li­cher­wei­se da­von aus­zu­ge­hen“, dass der Ge­setz­ge­ber „die Re­ge­lung des § 17 Nr. 5 RuS­tAG so­gar schon durch die Än­de­rung des § 4 Abs. 1 RuS­tAG im RuStA­ÄndG 1963 ‚in sei­nen Wil­len auf­ge­nom­men’“ ha­be, ver­mag sich der Se­nat nicht an­zu­schlie­ßen. Denn der Ge­setz­ge­ber hat in dem be­zeich­ne­ten Än­de­rungs­ge­setz 1963 zu § 17 Nr. 5 RuS­tAG nichts be­stimmt; er hat ihn we­der un­ver­än­dert (und da­mit ver­fas­sungs­wid­rig) be­stä­tigt noch hin zu ei­ner ver­fas­sungs­ge­mä­ßen Vor­schrift ge­än­dert.

17 Durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. b RuStA­ÄndG 1974 hat der Ge­setz­ge­ber die Num­mer 5 des § 17 RuS­tAG „auf­ge­ho­ben“ und das In­kraft­tre­ten des ge­sam­ten Än­de­rungs­ge­set­zes in Art. 6 RuStA­ÄndG 1974 auf den 1. Ja­nu­ar 1975 be­stimmt. Die­ses Ge­setz geht, so­weit es die Num­mer 5 des § 17 RuS­tAG „auf­hebt“, ins Lee­re. Denn § 17 Nr. 5 RuS­tAG war als Art. 3 Abs. 2 GG ent­ge­gen­ste­hen­des Recht be­reits mit Ab­lauf des 31. März 1953 au­ßer Kraft ge­tre­ten (Art. 117 Abs. 1 GG). Die An­ord­nung der (förm­li­chen) Auf­he­bung der Num­mer 5 des § 17 RuS­tAG mit Wir­kung zum 1. Ja­nu­ar 1975 kann auch nicht da­hin ver­stan­den wer­den, da­mit ha­be der Ge­setz­ge­ber die Re­ge­lung des § 17 Nr. 5 RuS­tAG nach­kon­sti­tu­tio­nell rück­wir­kend für die Zeit vom 1. April 1953 bis zum 31. De­zem­ber 1974 in Kraft set­zen wol­len. Denn da­mit wür­de man dem nach­kon­sti­tu­tio­nel­len Ge­setz­ge­ber un­zu­läs­sig un­ter­stel­len, er ver­sto­ße ge­gen Art. 3 Abs. 2 GG. Un­strei­tig ist Art. 1 Nr. 3 Buchst. b RuStA­ÄndG 1974 nach­kon­sti­tu­tio­nel­les Recht. Wä­re er ver­fas­sungs­wid­rig, müss­te er dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt vor­ge­legt wer­den. Der Se­nat ver­steht Art. 1 Nr. 3 Buchst. b RuStA­ÄndG 1974 aber ver­fas­sungs­kon­form da­hin, dass er mit der Auf­he­bung des § 17 Nr. 5 RuS­tAG die­sen nicht erst kon­sti­tu­tiv für die Ver­gan­gen­heit in Kraft ge­setzt hat, son­dern dass er den be­reits seit lan­gem au­ßer Kraft ge­tre­te­nen § 17 Nr. 5 (nur noch) förm­lich auf­hebt. Da­mit ent­fal­tet die Auf­he­bung zwar kei­ne ma­te­ri­ell­recht­li­che Wir­kung, ver­stö­ßt aber auch nicht ge­gen die Ver­fas­sung.

18 In Art. 3 Abs. 1 Satz 2 RuStA­ÄndG 1974 hat der Ge­setz­ge­ber be­stimmt, dass auch dem nicht­ehe­lich ge­bo­re­nen Kind, das durch Le­gi­ti­ma­ti­on sei­ne durch Ge­burt er­wor­be­ne deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit ver­lo­ren hat, das Recht zu­steht, die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit durch die Er­klä­rung, deut­scher Staats­an­ge­hö­ri­ger wer­den zu wol­len, zu er­wer­ben. Auch die­ser Re­ge­lung kann nicht ent­nom­men wer­den, da­mit ha­be der Ge­setz­ge­ber die Re­ge­lung des § 17 Nr. 5 RuS­tAG nach­kon­sti­tu­tio­nell rück­wir­kend für die Zeit vom 1. April 1953 bis zum 31. De­zem­ber 1974 in Kraft set­zen wol­len (a.A. BGH NJW 1984, 562 <564> un­ter III. 2. b aa in der An­nah­me, der nach­kon­sti­tu­tio­nel­le Ge­setz­ge­ber ha­be die An­wend­bar­keit der Vor­schrift für die zu­rück­lie­gen­de Zeit in der Über­gangs­re­ge­lung des Art. 3 RuStA­ÄndG 1974 be­stä­tigt). Denn da­mit wür­de man dem nach­kon­sti­tu­tio­nel­len Ge­setz­ge­ber un­zu­läs­sig un­ter­stel­len, er ver­sto­ße ge­gen Art. 3 Abs. 2 GG. In Art. 3 Abs. 1 Satz 2 RuStA­ÄndG 1974 be­stimmt der Ge­setz­ge­ber nicht ei­nen Ver­lust der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit durch ei­ne von ei­nem Aus­län­der be­wirk­te Le­gi­ti­ma­ti­on, son­dern ein Er­klä­rungs­recht zur deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit für den Fall ei­nes Ver­lus­tes der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit durch ei­ne von ei­nem Aus­län­der be­wirk­te Le­gi­ti­ma­ti­on.
Der Ge­setz­ge­ber geht dem­nach von ei­nem sol­chen Ver­lust aus (ord­net ihn aber nicht an). Die­se An­nah­me er­weist sich al­ler­dings für die Zeit ab dem 1. April 1953 als un­zu­tref­fend, weil § 17 Nr. 5 RuS­tAG als dem Art. 3 Abs. 2 GG ent­ge­gen­ste­hen­des Recht mit Ab­lauf des 31. März 1953 au­ßer Kraft ge­tre­ten ist und nach die­sem Zeit­punkt kei­nen Ver­lust der Staats­an­ge­hö­rig­keit mehr be­wir­ken konn­te. Ei­ne un­zu­tref­fen­de An­nah­me des Ge­setz­ge­bers als Aus­gangs­punkt für ei­ne ge­setz­li­che Be­stim­mung führt aber nicht not­wen­dig zur Ver­fas­sungs­wid­rig­keit der ge­setz­li­chen Re­ge­lung. Viel­mehr läuft das Er­klä­rungs­recht nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 RuStA­ÄndG 1974 für Le­gi­ti­ma­tio­nen nach dem 31. März 1953 le­dig­lich leer. Da­mit ver­stö­ßt die­se Re­ge­lung aber nicht ge­gen die Ver­fas­sung.

19 Da § 17 Nr. 5 RuS­tAG in sei­ner hier - für die Be­ur­tei­lung ei­nes Ver­lusts der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit der Mut­ter des Klä­gers durch ih­re Le­gi­ti­ma­ti­on im Jah­re 1964 - gel­ten­den Fas­sung vor­kon­sti­tu­tio­nel­les Recht war, ist das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt oh­ne Vor­la­ge an das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt be­fugt, im Streit­fall in­zi­dent zu ent­schei­den, dass § 17 Nr. 5 RuS­tAG zur Zeit der Le­gi­ti­ma­ti­on der Klä­ge­rin ver­fas­sungs­wid­rig und we­gen Ver­sto­ßes ge­gen Art. 3 Abs. 2 GG be­reits (seit dem 31. März 1953) au­ßer Kraft ge­tre­ten war.

20 Da der Bun­des­ge­richts­hof in ei­nem Na­mens­rechts­streit mit Be­schluss vom 8. Ju­ni 1983 (NJW 1984, 562) tra­gend die Auf­fas­sung ver­tre­ten hat, ein un­ehe­li­ches Kind ha­be sei­ne deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit nach sei­ner Mut­ter durch die 1966 von ei­nem Aus­län­der be­wirk­te Le­gi­ti­ma­ti­on ver­lo­ren, wä­re dem Ge­mein­sa­men Se­nat der obers­ten Ge­richts­hö­fe des Bun­des die Rechts­fra­ge vor­zu­le­gen, ob ein un­ehe­li­ches Kind sei­ne nach der Mut­ter er­wor­be­ne deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit durch ei­ne nach dem 31. März 1953 aber vor dem 1. Ja­nu­ar 1975 von ei­nem Aus­län­der be­wirk­te und nach den deut­schen Ge­set­zen wirk­sa­me Le­gi­ti­ma­ti­on ver­lo­ren hat. Ei­ner Vor­la­ge be­darf es al­ler­dings nicht, wenn der Bun­des­ge­richts­hof an sei­ner in ei­nem Na­mens­rechts­streit mit Be­schluss vom 8. Ju­ni 1983 - IVb ZB 637/80 - NJW 1984, 562 ver­tre­te­nen an­de­ren Auf­fas­sung nicht fest­hält (BGH, Ur­teil vom 7. Ju­ni 1989 - IVb ZR 51/88 - BGHZ 107, 376 <384>).

21 Soll­te im vor­lie­gen­den Rechts­streit ei­ne Vor­la­ge an den Ge­mein­sa­men Se­nat der obers­ten Ge­richts­hö­fe des Bun­des er­for­der­lich sein, wä­re mit ei­nem von den Be­tei­lig­ten ge­wünsch­ten zeit­na­hen Ab­schluss des Ver­fah­rens nicht zu rech­nen.

22 Zu­dem spricht für den vor­ge­schla­ge­nen Ver­gleich, dass es un­wahr­schein­lich ist, dass es zur Fra­ge des Staats­an­ge­hö­rig­keits­ver­lus­tes durch Le­gi­ti­ma­ti­on in der Zeit zwi­schen 1. April 1953 und 31. De­zem­ber 1974 noch ei­ne Viel­zahl von ge­richt­li­chen Streit­fäl­len gibt, und dass der Ge­setz­ge­ber durch Art. 2 des Ers­ten Ge­set­zes über die Be­rei­ni­gung von Bun­des­recht im Zu­stän­dig­keits­be­reich des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums des In­nern vom 19. Fe­bru­ar 2006 (BGBl I S. 334) - s. da­zu BT­Drucks 16/28 S. 16 f. -, der mit Ab­lauf des 31. Ju­li 2006 in Kraft tritt, un­ter an­de­rem Art. 3 RuStA­ÄndG 1974 auf­ge­ho­ben hat, der mit Er­klä­rungs­rech­ten an die Zeit nach dem 31. März 1953 und vor dem 1. Ja­nu­ar 1975 an­knüpft.

Ur­teil vom 29.11.2006 -
BVer­wG 5 C 5.05ECLI:DE:BVer­wG:2006:291106U5C5.05.0

Leit­satz:

§ 17 Nr. 5 RuS­tAG 1913 wi­der­sprach Art. 3 Abs. 2 GG und blieb - un­ge­ach­tet sei­ner förm­li­chen Auf­he­bung durch (ein­fa­ches) Ge­setz erst zum 1. Ja­nu­ar 1975 - nach Art. 117 Abs. 1 GG nicht über den 31. März 1953 hin­aus in Kraft.

Ur­teil

BVer­wG 5 C 5.05

  • VGH Kas­sel - 17.08.2004 - AZ: VGH 12 UE 339/04 -
  • Hes­si­scher VGH - 17.08.2004 - AZ: VGH 12 UE 339/04

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 5. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 29. No­vem­ber 2006
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Sä­cker
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Schmidt, Dr. Fran­ke, Dr. Brunn und Prof. Dr. Ber­lit
oh­ne münd­li­che Ver­hand­lung für Recht er­kannt:

  1. Das Ur­teil des Hes­si­schen Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs vom 17. Au­gust 2004 wird auf­ge­ho­ben. Fer­ner wer­den das Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts Darm­stadt vom 27. Au­gust 2003 und der Be­scheid des Land­ra­tes des Krei­ses Berg­stra­ße vom 19. Ju­ni 2001 so­wie der Wi­der­spruchs­be­scheid des Re­gie­rungs­prä­si­di­ums Darm­stadt vom 8. Ja­nu­ar 2002 auf­ge­ho­ben.
  2. Der Be­klag­te wird ver­pflich­tet, der Klä­ge­rin ei­nen deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keits­aus­weis zu er­tei­len.
  3. Der Be­klag­te trägt die Kos­ten des Ver­fah­rens.

Grün­de

I

1 Die Klä­ge­rin be­gehrt die Aus­stel­lung ei­nes deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keits­aus­wei­ses. Da­für ist streit­ent­schei­dend, ob sie die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit, die sie durch Ge­burt nach ih­rer Mut­ter er­wor­ben hat­te, durch die Hei­rat ih­rer El­tern im Ju­li 1955 und die da­durch er­lang­te Stel­lung ei­nes ehe­li­ches Kin­des ver­lo­ren hat.

2 Die Klä­ge­rin ist am 29. Ok­to­ber 1952 als nicht­ehe­li­ches Kind ei­ner deut­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen und ei­nes US-ame­ri­ka­ni­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen in B. in Deutsch­land ge­bo­ren. Ih­re El­tern hei­ra­te­ten am 2. Ju­li 1955. Mit rechts­kräf­ti­gem Be­schluss des Amts­ge­richts G. vom 13. Au­gust 1955 wur­de fest­ge­stellt, dass die Klä­ge­rin durch die Hei­rat ih­rer El­tern die Rechts­stel­lung ei­nes ehe­li­chen Kin­des er­langt hat; dies wur­de durch Rand­ver­merk vom 20. Au­gust 1955 im Ge­bur­ten­buch des Stan­des­am­tes B. ein­ge­tra­gen. Die Klä­ge­rin be­sitzt die US-ame­ri­ka­ni­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit; seit ih­rem vier­ten Le­bens­jahr ist sie auch im Be­sitz ei­nes US-ame­ri­ka­ni­schen Pas­ses. Von 1957 bis 1979 leb­te sie in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka und hei­ra­te­te 1975 ei­nen ame­ri­ka­ni­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen. Seit 1979 lebt sie wie­der in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Ihr An­trag auf Aus­stel­lung ei­nes deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keits­aus­wei­ses wur­de mit Be­scheid vom 19. Ju­ni 2001 mit der Be­grün­dung ab­ge­lehnt, sie ha­be die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit durch die mit der Ehe­schlie­ßung ih­rer El­tern be­wirk­te Le­gi­ti­ma­ti­on ver­lo­ren.

3 Die nach er­folg­lo­sem Wi­der­spruch (Wi­der­spruchs­be­scheid vom 8. Ja­nu­ar 2002) er­ho­be­ne Kla­ge der Klä­ge­rin hat das Ver­wal­tungs­ge­richt mit Ur­teil vom 27. Au­gust 2003 ab­ge­wie­sen. Ih­re Be­ru­fung hier­ge­gen hat der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof mit im We­sent­li­chen fol­gen­der Be­grün­dung zu­rück­ge­wie­sen:

4 Die Klä­ge­rin sei kei­ne deut­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge. Die zu­nächst mit ih­rer Ge­burt als nicht­ehe­li­che Toch­ter ei­ner deut­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen er­wor­be­ne deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit ha­be sie ge­mäß § 17 Nr. 5 RuS­tAG a.F. auf­grund wirk­sa­mer Le­gi­ti­ma­ti­on durch ih­ren US-ame­ri­ka­ni­schen Va­ter mit der Ehe­schlie­ßung ih­rer El­tern am 2. Ju­li 1955 ver­lo­ren. Da § 17 Nr. 5 RuS­tAG a.F. bis zur for­mel­len Auf­he­bung zum 1. Ja­nu­ar 1975 durch Art. 1 Nr. 3 RuStA­ÄndG 1974 von der Ver­wal­tungs­pra­xis und den Ge­rich­ten - wenn auch mög­li­cher­wei­se un­ter Ver­ken­nung der Reich­wei­te des Art. 117 Abs. 1 GG - an­ge­wandt wor­den sei und weit­rei­chen­de sta­tus­recht­li­che Wir­kun­gen ent­fal­tet ha­be, kön­ne die Vor­schrift bei der Be­ur­tei­lung der Staats­an­ge­hö­rig­keit der Klä­ge­rin auch nicht au­ßer Be­tracht blei­ben, wenn sie, wie das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt zu § 4 RuS­tAG a.F. ent­schie­den ha­be, eben­falls seit dem 1. April 1953 ver­fas­sungs­wid­rig ge­we­sen sei. Mit dem in Art. 3 Abs. 1 RuStA­ÄndG 1974 ge­schaf­fe­nen Er­klä­rungs­recht sei ge­setz­lich ge­re­gelt, dass die Ver­fas­sungs­wid­rig­keit und Nich­tig­keit des § 17 Nr. 5 RuS­tAG a.F. nicht zur Nich­tig­keit oder Un­wirk­sam­keit der hier­auf ge­stütz­ten Rechts­ak­te und -fol­gen füh­re und dass be­fris­tet auf drei Jah­re die Mög­lich­keit be­stehe, durch Er­klä­rung die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit wie­der zu er­lan­gen. Von die­sem Er­klä­rungs­recht ha­be die Klä­ge­rin in of­fe­ner Frist nicht Ge­brauch ge­macht.

5 Mit ih­rer Re­vi­si­on ver­folgt die Klä­ge­rin ihr Be­geh­ren wei­ter, ihr ei­nen deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keits­aus­weis zu er­tei­len.

6 Der Be­klag­te und die Ver­tre­te­rin des Bun­des­in­ter­es­ses beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ver­tei­di­gen das Be­ru­fungs­ur­teil.

II

7 Die Re­vi­si­on der Klä­ge­rin, über die das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ge­mäß § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 Vw­GO im Ein­ver­ständ­nis der Be­tei­lig­ten oh­ne (wei­te­re) münd­li­che Ver­hand­lung ent­schei­den kann, ist be­grün­det. Das Be­ru­fungs­ur­teil, das die Kla­ge­ab­wei­sung be­stä­tigt hat, be­ruht auf der Ver­let­zung von Bun­des­recht.

8 Die Klä­ge­rin hat ei­nen An­spruch auf ei­nen deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keits­aus­weis. Sie ist durch Ge­burt deut­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge nach ih­rer Mut­ter (§ 4 Abs. 1 Halbs. 2 RuS­tAG in der zur Zeit ih­rer Ge­burt 1952 un­ver­än­der­ten Fas­sung von 1913) und hat die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit nicht da­durch ver­lo­ren, dass sie, wie das Be­ru­fungs­ge­richt fest­ge­stellt hat, durch die Hei­rat ih­rer El­tern im Ju­li 1955 die Stel­lung ei­nes ehe­li­chen Kin­des er­wor­ben hat und die so von ih­rem Va­ter US-ame­ri­ka­ni­scher Staats­an­ge­hö­rig­keit be­wirk­te Le­gi­ti­ma­ti­on nach deut­schem Recht wirk­sam war. Denn § 17 Nr. 5 RuS­tAG, der in sei­ner bis zu sei­ner Auf­he­bung durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. b RuStA­ÄndG 1974 nicht ge­än­der­ten Fas­sung von 1913 be­stimm­te, dass ein un­ehe­li­ches Kind die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit durch ei­ne von ei­nem Aus­län­der be­wirk­te und nach den deut­schen Ge­set­zen wirk­sa­me Le­gi­ti­ma­ti­on ver­lor, hat­te im Jahr der Le­gi­ti­ma­ti­on 1955 be­reits kei­ne Gel­tung mehr.

9 § 17 Nr. 5 RuS­tAG 1913 wi­der­sprach im Sin­ne von Art. 123 Abs. 1 GG dem Art. 3 Abs. 2 GG, der Gleich­be­rech­ti­gung von Frau­en und Män­nern, er stand ihm im Sin­ne von Art. 117 Abs. 1 GG ent­ge­gen und galt folg­lich nicht über den 31. März 1953 hin­aus fort. § 17 Nr. 5 RuS­tAG ist - un­ge­ach­tet sei­ner förm­li­chen Auf­he­bung durch (ein­fa­ches) Ge­setz (Art. 1 Nr. 3 Buchst. b, Art. 6 RuStA­ÄndG 1974) erst zum 1. Ja­nu­ar 1975 - nach Art. 117 Abs. 1 GG längs­tens bis zum 31. März 1953 in Kraft ge­blie­ben, hat­te al­so zur Zeit der Le­gi­ti­ma­ti­on der Klä­ge­rin im Jah­re 1955 kei­ne Gel­tungs­kraft mehr.

10 Das Reichs- und Staats­an­ge­hö­rig­keits­ge­setz vom 22. Ju­li 1913 (RGBl S. 583) in sei­ner am 24. Mai 1949 be­stehen­den und bis zum 31. März 1953 nicht ge­än­der­ten Fas­sung knüpf­te für den Er­werb der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit durch Ge­burt an die Ab­stam­mung an, wo­bei es bei ehe­li­chen Kin­dern al­lein auf die Ab­stam­mung von ei­nem deut­schen Va­ter ab­stell­te, die Ab­stam­mung von ei­ner deut­schen Mut­ter hin­ge­gen nicht aus­rei­chen ließ (§ 4 Abs. 1 Halbs. 1 RuS­tAG 1913). Die­se Re­ge­lung war mit dem Grund­satz der Gleich­be­rech­ti­gung von Män­nern und Frau­en nicht ver­ein­bar. Zur Be­grün­dung wird auf den Vor­la­ge­be­schluss des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vom 24. Ju­ni 1971 - BVer­wG 1 C 75.67 - (Buch­holz 130 § 4 RuS­tAG Nr. 3 = DÖV 1972, 94 = DVBl 1971, 861 = FamRZ 1971, 577 = StAZ 1972, 172) so­wie auf den Be­schluss des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 21. Mai 1974 - 1 BvL 22/71 und 21/72 - (BVerf­GE 37, 217) ver­wie­sen. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat in sei­nem Vor­la­ge­be­schluss aus­ge­führt, § 4 Abs. 1 Satz 1 RuS­tAG i.d.F. des Ge­set­zes vom 19. De­zem­ber 1963 (BGBl I S. 982) sei in­so­weit mit Art. 3 Abs. 2 GG nicht ver­ein­bar, als das ehe­li­che Kind ei­nes deut­schen Man­nes, nicht aber auch das ehe­li­che Kind ei­ner deut­schen Frau durch Ge­burt die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit er­wirbt; zur Vor­la­ge sei es ver­pflich­tet, weil der nach­kon­sti­tu­tio­nel­le Ge­setz­ge­ber die un­ver­än­dert ge­blie­be­ne Re­ge­lung des § 4 Abs. 1 Satz 1 RuS­tAG mit der An­fü­gung des Sat­zes 2 durch Ge­setz vom 19. De­zem­ber 1963 in sei­nen Wil­len auf­ge­nom­men ha­be. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (a.a.O. S. 239) hat ent­schie­den, die Re­ge­lung der Staats­an­ge­hö­rig­keit ehe­li­cher Kin­der mit nur ei­nem deut­schen El­tern­teil in § 4 Abs. 1 RuS­tAG sei mit dem Grund­ge­setz nicht ver­ein­bar, weil sie Kin­dern deut­scher Müt­ter den Er­werb der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit nicht in glei­chem Ma­ße er­mög­li­che wie Kin­dern deut­scher Vä­ter.

11 § 4 Abs. 1 RuS­tAG 1913 muss im sach­li­chen Zu­sam­men­hang mit § 17 Nr. 5 RuS­tAG 1913 ge­se­hen wer­den. Denn bei­de Vor­schrif­ten be­stim­men die Staats­an­ge­hö­rig­keit ehe­li­cher Kin­der ma­ß­geb­lich nach der des Va­ters, nicht - den Son­der­fall der Staa­ten­lo­sig­keit des Va­ters aus­ge­nom­men (da­zu Ur­teil vom 21. De­zem­ber 1962 - BVer­wG 1 C 115.61 - BVer­w­GE 15, 226 und § 4 Abs. 1 Satz 2 RuS­tAG F. 1963) - der der Mut­ter. Da­mit ver­stö­ßt - wie es das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt im Be­schluss vom 21. Mai 1974 (a.a.O.) zu § 4 Abs. 1 RuS­tAG ent­schie­den hat - auch § 17 Nr. 5 RuS­tAG 1913 ge­gen Art. 3 Abs. 2 GG (OVG Ko­blenz, Be­schluss vom 23. April 1993 - 7 B 12396/92.​OVG - In­fAuslR 1993, 276; VG Stutt­gart, Ur­teil vom 5. März 1997 - 7 K 4077/95 - StAZ 1997, 346; Hail­bron­ner/Ren­ner, Staats­an­ge­hö­rig­keits­recht, 4. Aufl. 2005, § 17 StAG Rn. 6; Ma­ka­rov/v. Man­goldt, Deut­sches Staats­an­ge­hö­rig­keits­recht, Stand 1985, § 17 RuS­tAG Rn. 10 und Art. 3 RuStA­ÄndG 1974 Rn. 15 - 21; Marx, Staats­an­ge­hö­rig­keits­recht, 1997, § 17 RuS­tAG Rn. 21; Marx, in: GK-StAR GW 2000, § 17 StAG Rn. 51; a.A. VG Augs­burg, Ur­teil vom 9. Ok­to­ber 2001 - Au 1 K 99.10 87 - ju­ris). Die­se Be­wer­tung stützt, dass das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt mit Be­schluss vom 25. Ok­to­ber 2005 - 2 BvR 524/01 - (ju­ris) ent­schie­den hat, es sei mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht ver­ein­bar, die er­leich­ter­te Er­tei­lung ei­ner Auf­ent­halts­er­laub­nis für ein im Bun­des­ge­biet ge­bo­re­nes Kind al­lein an den Auf­ent­halts­ti­tel der Mut­ter, nicht hin­ge­gen auch des Va­ters zu knüp­fen.

12 An­ders als das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt im Ur­teil vom 21. De­zem­ber 1962 (a.a.O.) hielt es das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt im Be­schluss vom 21. Mai 1974 (a.a.O.) für nicht zu­läs­sig, ei­ne als ver­fas­sungs­wid­rig er­kann­te Norm selbst zu ei­ner ver­fas­sungs­ge­mä­ßen zu er­gän­zen. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat­te da­her über die Fra­ge zu ent­schei­den, ob der Er­werb der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit von ehe­li­chen Kin­dern nach § 4 Abs. 1 RuS­tAG al­lein nach dem Va­ter ver­fas­sungs­ge­mäß ist. Die Fest­stel­lung der Un­ver­ein­bar­keit die­ser Re­ge­lung mit der Ver­fas­sung führ­te aber, wie das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt aus­ge­führt hat, zum ei­nen nicht da­zu, dass das ehe­li­che Kind oh­ne Gel­tung des § 4 Abs. 1 RuS­tAG die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit nach der Mut­ter er­wor­ben hät­te, noch not­wen­dig zu ei­ner Norm­ergän­zung des als ver­fas­sungs­wid­rig er­kann­ten § 4 Abs. 1 RuS­tAG da­hin, dass das ehe­li­che Kind mit der Ge­burt (auch) die Staats­an­ge­hö­rig­keit nach der Mut­ter er­wer­be. Des­halb war die Un­ver­ein­bar­keit der be­stehen­den Re­ge­lung fest­zu­stel­len und dem Ge­setz­ge­ber die Aus­ge­stal­tung ei­ner neu­en ver­fas­sungs­ge­mä­ßen Re­ge­lung des Staats­an­ge­hö­rig­keits­er­werbs zu über­las­sen.

13 An­ders liegt es bei § 17 Nr. 5 RuS­tAG. Denn wäh­rend ein ehe­li­ches Kind we­der bei Gül­tig­keit noch bei Un­gül­tig­keit des § 4 Abs. 1 RuS­tAG 1913 die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit nach sei­ner Mut­ter hat er­wer­ben kön­nen, hat ein un­ehe­li­ches Kind sei­ne nach der deut­schen Mut­ter er­wor­be­ne deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit nach § 17 Nr. 5 RuS­tAG durch Le­gi­ti­ma­ti­on nur dann ver­lie­ren kön­nen, wenn § 17 Nr. 5 RuS­tAG 1913 zur Zeit der Le­gi­ti­ma­ti­on (noch) wirk­sam war. § 17 Nr. 5 RuS­tAG 1913 ist aber als Art. 3 Abs. 2 GG ent­ge­gen­ste­hen­des Recht nach Art. 117 Abs. 1 GG be­reits mit Ab­lauf des 31. März 1953 au­ßer Kraft ge­tre­ten. § 4 Abs. 1 RuS­tAG 1913 ist zwar, da er die Ab­hän­gig­keit der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit ehe­li­cher Kin­der al­lein vom Va­ter re­gelt, aus glei­chem Grund, näm­lich we­gen Ver­sto­ßes ge­gen Art. 3 Abs. 2 GG, ver­fas­sungs­wid­rig, die Aus­wir­kun­gen der Ver­fas­sungs­wid­rig­keit auf zu­rück­lie­gen­de Fäl­le sind aber un­ter­schied­lich. Denn § 4 Abs. 1 RuS­tAG 1913 re­gel­te ei­nen Staats­an­ge­hö­rig­keits­er­werbs­grund, § 17 Nr. 5 RuS­tAG 1913 da­ge­gen ei­nen Staats­an­ge­hö­rig­keits­ver­lust­grund. So wie ein Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG wi­der­spre­chen­der Ver­lust der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit nach § 17 Nr. 5 RuS­tAG nach In­kraft­tre­ten des Grund­ge­set­zes nicht mehr ein­tre­ten konn­te (so zu Recht BGH, Be­schluss vom 8. Ju­ni 1983 - IVb ZB 637/80 - un­ter III. 2. b aa, NJW 1984, 562 <564>), so konn­te auch ein Art. 3 Abs. 2 GG wi­der­spre­chen­der Ver­lust der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit nach § 17 Nr. 5 RuS­tAG nach dem Ab­lauf des 31. März 1953 (Art. 117 Abs. 1 GG) nicht mehr ein­tre­ten (VG Stutt­gart, Ur­teil vom 5. März 1997 - 7 K 4077/95 - StAZ 1997, 346; Hail­bron­ner/ Ren­ner, Staats­an­ge­hö­rig­keits­recht, 4. Aufl. 2005, § 17 StAG Rn. 6; Ma­ka­rov/ v. Man­goldt, Deut­sches Staats­an­ge­hö­rig­keits­recht, Stand 1985, § 17 RuS­tAG Rn. 10 und Art. 3 RuStA­ÄndG 1974 Rn. 15 - 21; a.A. BGH, Be­schluss vom 8. Ju­ni 1983 a.a.O. un­ter III. 2 b bb; OVG Ber­lin, Ur­teil vom 13. Sep­tem­ber 1979 - V B 3.78 - ju­ris; OVG Ham­burg, Ur­teil vom 24. Fe­bru­ar 1997 - Bf III 53/95 - ju­ris; VG Karls­ru­he, Ur­teil vom 10. Sep­tem­ber 2003 - 11 K 3824/02 - ju­ris). Auf An­fra­ge hat der Bun­des­ge­richts­hof mit Stel­lung­nah­me vom 13. Sep­tem­ber 2006 er­klärt, er hal­te an sei­ner im Be­schluss vom 8. Ju­ni 1983 ver­tre­te­nen Rechts­auf­fas­sung, dass ein un­ehe­li­ches Kind sei­ne deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit nach sei­ner Mut­ter durch ei­ne nach dem 31. März 1953, aber vor dem 1. Ja­nu­ar 1975 von ei­nem Aus­län­der be­wirk­te und nach den deut­schen Ge­set­zen wirk­sa­me Le­gi­ti­ma­ti­on ver­lo­ren ha­be, nicht fest.

14 Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ist oh­ne Vor­la­ge an das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt be­fugt, im Streit­fall in­zi­dent zu ent­schei­den, dass § 17 Nr. 5 RuS­tAG zur Zeit der Le­gi­ti­ma­ti­on der Klä­ge­rin ver­fas­sungs­wid­rig und we­gen Ver­sto­ßes ge­gen Art. 3 Abs. 2 GG be­reits (seit dem 31. März 1953) au­ßer Kraft ge­tre­ten war. Denn § 17 Nr. 5 RuS­tAG 1913 war zur Zeit der Le­gi­ti­ma­ti­on im Jah­re 1955 kein nach­kon­sti­tu­tio­nel­les Recht. Art. 117 Abs. 1 GG hat nur an­ge­ord­net, dass das dem Art. 3 Abs. 2 GG ent­ge­gen­ste­hen­de Recht längs­tens bis zum 31. März 1953 in Kraft bleibt. Er hat da­mit aber nicht das dem Art. 3 Abs. 2 GG ent­ge­gen­ste­hen­de Recht für die Zeit bis zum Au­ßer­kraft­tre­ten spä­tes­tens zum 31. März 1953 für als der Ver­fas­sung ent­spre­chend er­klä­ren wol­len; viel­mehr soll­te dem Ge­setz­ge­ber nur ei­ne Frist ein­ge­räumt wer­den, das dem Art. 3 Abs. 2 GG wi­der­spre­chen­de Recht durch ver­fas­sungs­ge­mä­ßes Recht zu er­set­zen. Mit Ab­lauf der Frist am 31. März 1953 ist das dem Art. 3 Abs. 2 GG wi­der­spre­chen­de Recht au­ßer Kraft ge­tre­ten (BGH, Ur­teil vom 14. Ju­li 1953 - V ZR 97/52 - BGHZ 10, 266). Nach dem 31. März 1953 konn­te dem­nach ei­ne Le­gi­ti­ma­ti­on kei­nen Ver­lust der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit nach § 17 Nr. 5 StAG 1913 be­wir­ken.

15 § 17 Nr. 5 RuS­tAG ist auch spä­ter nicht rück­wir­kend nach­kon­sti­tu­tio­nel­les Recht ge­wor­den.

16 Durch die blo­ße Auf­nah­me in die Samm­lung des Bun­des­rechts (Bun­des­ge­setz­blatt Teil III, un­ter 102-1) ist die Be­stim­mung kei­ne nach­kon­sti­tu­tio­nel­le ge­wor­den (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 23. März 1982 - 2 BvL 13/79 - BVerf­GE 60, 135 <149 f.>). Auch hat der Ge­setz­ge­ber § 4 Abs. 1 RuS­tAG durch An­fü­gen des Sat­zes 2 durch Ge­setz vom 19. De­zem­ber 1963 (RuStA­ÄndG 1963) zwar ge­än­dert und da­mit, al­ler­dings nicht rück­wir­kend, zu nach­kon­sti­tu­tio­nel­lem Recht ge­macht. Trotz des en­gen Zu­sam­men­hangs zwi­schen der Re­ge­lung der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit für ehe­li­che Kin­der in § 4 Abs. 1 und § 17 Nr. 5 RuS­tAG hat der Ge­setz­ge­ber mit dem Än­de­rungs­ge­setz 1963 § 17 Nr. 5 RuS­tAG aber nicht ge­än­dert und folg­lich auch nicht (of­fe­ner noch BGH, Be­schluss vom 8. Ju­ni 1983 a.a.O. - un­ter III. 2 b aa) als nach­kon­sti­tu­tio­nel­les Recht in sei­nen Wil­len auf­ge­nom­men. Denn der Ge­setz­ge­ber hat in dem be­zeich­ne­ten Än­de­rungs­ge­setz 1963 zu § 17 Nr. 5 RuS­tAG nichts be­stimmt; er hat ihn we­der un­ver­än­dert (und da­mit ver­fas­sungs­wid­rig) be­stä­tigt noch hin zu ei­ner ver­fas­sungs­ge­mä­ßen Vor­schrift ge­än­dert.

17 Durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. b RuStA­ÄndG 1974 hat der Ge­setz­ge­ber zwar die Num­mer 5 des § 17 RuS­tAG „auf­ge­ho­ben“ und das In­kraft­tre­ten des ge­sam­ten Än­de­rungs­ge­set­zes in Art. 6 RuStA­ÄndG 1974 auf den 1. Ja­nu­ar 1975 be­stimmt. Die­ses Ge­setz geht aber, so­weit es die Num­mer 5 des § 17 RuS­tAG „auf­hebt“, ins Lee­re. Denn § 17 Nr. 5 RuS­tAG war als Art. 3 Abs. 2 GG ent­ge­gen­ste­hen­des Recht be­reits mit Ab­lauf des 31. März 1953 au­ßer Kraft ge­tre­ten (Art. 117 Abs. 1 GG). Die An­ord­nung der (förm­li­chen) Auf­he­bung der Num­mer 5 des § 17 RuS­tAG mit Wir­kung zum 1. Ja­nu­ar 1975 kann auch nicht da­hin ver­stan­den wer­den, da­mit ha­be der Ge­setz­ge­ber die Re­ge­lung des § 17 Nr. 5 RuS­tAG nach­kon­sti­tu­tio­nell rück­wir­kend für die Zeit vom 1. April 1953 bis zum 31. De­zem­ber 1974 in Kraft set­zen wol­len. Denn da­mit wür­de man dem nach­kon­sti­tu­tio­nel­len Ge­setz­ge­ber un­zu­läs­sig un­ter­stel­len, er ver­sto­ße ge­gen Art. 3 Abs. 2 GG. Art. 1 Nr. 3 Buchst. b RuStA­ÄndG 1974 ist ver­fas­sungs­kon­form da­hin zu ver­ste­hen, dass er mit der Auf­he­bung des § 17 Nr. 5 RuS­tAG die­sen nicht erst kon­sti­tu­tiv für die Ver­gan­gen­heit in Kraft ge­setzt hat, son­dern dass er den be­reits seit lan­gem au­ßer Kraft ge­tre­te­nen § 17 Nr. 5 RuS­tAG (nur noch) förm­lich auf­hebt. Da­mit ent­fal­tet die Auf­he­bung zwar kei­ne ma­te­ri­ell­recht­li­che Wir­kung, ver­stö­ßt aber auch nicht ge­gen die Ver­fas­sung.

18 Ent­spre­chen­des gilt für die in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 RuStA­ÄndG 1974 ge­trof­fe­ne Re­ge­lung. Dar­in hat der Ge­setz­ge­ber zwar be­stimmt, dass auch dem nicht­ehe­lich ge­bo­re­nen Kind, das durch Le­gi­ti­ma­ti­on sei­ne durch Ge­burt er­wor­be­ne deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit ver­lo­ren hat, das Recht zu­steht, die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit durch die Er­klä­rung, deut­scher Staats­an­ge­hö­ri­ger wer­den zu wol­len, zu er­wer­ben. Auch die­ser Re­ge­lung kann in­des­sen nicht ent­nom­men wer­den, da­mit ha­be der Ge­setz­ge­ber die Re­ge­lung des § 17 Nr. 5 RuS­tAG nach­kon­sti­tu­tio­nell rück­wir­kend für die Zeit vom 1. April 1953 bis zum 31. De­zem­ber 1974 in Kraft set­zen wol­len (an sei­ner Auf­fas­sung im Be­schluss vom 8. Ju­ni 1983 a.a.O. un­ter III. 2. b aa, der nach­kon­sti­tu­tio­nel­le Ge­setz­ge­ber ha­be die An­wend­bar­keit des § 17 Nr. 5 RuS­tAG für die zu­rück­lie­gen­de Zeit in der Über­gangs­re­ge­lung des Art. 3 RuStA­ÄndG 1974 be­stä­tigt, hält der Bun­des­ge­richts­hof nicht fest). In Art. 3 Abs. 1 Satz 2 RuStA­ÄndG 1974 be­stimmt der Ge­setz­ge­ber näm­lich nicht ei­nen Ver­lust der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit durch ei­ne von ei­nem Aus­län­der be­wirk­te Le­gi­ti­ma­ti­on, son­dern ein Er­klä­rungs­recht zur deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit für den Fall ei­nes Ver­lus­tes der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit durch ei­ne von ei­nem Aus­län­der be­wirk­te Le­gi­ti­ma­ti­on. Der Ge­setz­ge­ber geht dem­nach von ei­nem sol­chen Ver­lust aus (ord­net ihn aber nicht an). Die­se An­nah­me er­weist sich al­ler­dings für die Zeit ab dem 1. April 1953 als un­zu­tref­fend, weil § 17 Nr. 5 RuS­tAG als dem Art. 3 Abs. 2 GG ent­ge­gen­ste­hen­des Recht mit Ab­lauf des 31. März 1953 au­ßer Kraft ge­tre­ten ist und nach die­sem Zeit­punkt kei­nen Ver­lust der Staats­an­ge­hö­rig­keit mehr be­wir­ken konn­te. Ei­ne un­zu­tref­fen­de An­nah­me des Ge­setz­ge­bers als Aus­gangs­punkt für ei­ne ge­setz­li­che Be­stim­mung führt aber nicht not­wen­dig zur Ver­fas­sungs­wid­rig­keit der ge­setz­li­chen Re­ge­lung. Viel­mehr läuft das Er­klä­rungs­recht nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 RuStA­ÄndG 1974 für Le­gi­ti­ma­tio­nen nach dem 31. März 1953 le­dig­lich leer. Da­mit ver­stö­ßt die­se Re­ge­lung aber nicht ge­gen die Ver­fas­sung.

19 Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 154 Abs. 1 Vw­GO.